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Europa im Gespräch
Europe and Society
Europa im Gespräch Nr. 104

"Diese außergewöhnliche Krise sollte uns dazu bringen, darüber nachzudenken, wie wir Kultur in Zukunft gestalten wollen"

"Diese außergewöhnliche Krise sollte uns dazu bringen, darüber nachzudenken, wie wir Kultur in Zukunft gestalten wollen"
21/12/2020

Interview mit Gitte Zschoch, Direktorin von EUNIC Global (European Union National Institutes for Culture1)[1]

Welche Auswirkung hat die Covid-19-Pandemie auf den Kultursektor?



Seit der Krise wurden überall dort, wo es zu Lockdowns kam, also praktisch überall auf der Welt, Kulturprogramme eingestellt, Sprachkurse abgebrochen. Da es nicht mehr möglich ist, Präsenzveranstaltungen mit Publikum zu organisieren und die Mobilität weitgehend eingeschränkt ist, müssen neue Wege gefunden werden, um Kulturarbeit zu organisieren. Und diese Wege werden auch tatsächlich gefunden: Viele Aktivitäten wurden in den Online-Raum verlagert.

Was tut die EU für den europäischen Kultursektor in dieser sehr schwierigen Zeit?



Die EU hat eine koordinierende und ergänzende Rolle in der Kultur. Sie hat kein Mandat für Kultur als solche. Die Kultur verbleibt bei den Mitgliedsstaaten. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union legt fest, dass die Union die Mitgliedsstaaten in denjenigen Bereichen koordinieren und unterstützen kann, in denen sie dies besser tut als die einzelnen Länder. Zum Beispiel gibt es einige Programme, die den kulturellen Austausch zwischen den europäischen Mitgliedstaaten fördern - Creative Europe ist dafür besonders bekannt. Unter diesem Dach gibt es Initiativen wie die Europäischen Kulturhauptstädte, die sehr erfolgreich sind. Gleichzeitig wurde 2016 eine Strategie der EU für internationale Kulturbeziehungen ins Leben gerufen, welche Früchte getragen hat: Die EU hat in den letzten Jahren begonnen, in den externen Kulturbeziehungen aktiv zu werden. Im Vergleich zu den Summen, die für andere Programme zur Verfügung stehen, ist der Anteil der Kulturausgaben am gesamten EU-Haushalt jedoch sehr gering.
In der aktuellen Krise haben die Regierungen Maßnahmen ergriffen, um Kulturakteure in ihren Ländern zu unterstützen. Aber auch die EU hat gehandelt, indem sie zum Beispiel die Creatives Unite Plattform ins Leben gerufen hat. Diese Plattform umfasst sowohl Linksammlungen zu Dokumenten, zu online gestreamten Veranstaltungen als auch eine Sammlung an Ressourcen, bei denen sich Kulturschaffende um Fördermittel bewerben können. Wir haben alle gesehen, dass sich die Diskussionen darüber, wie die Kultur in den EU-Wiederaufbauplan einbezogen werden kann, als sehr schwierig erwiesen. Wir sollten trotzdem zur Kenntnis nehmen, dass durch eine Entschließung des Europäischen Parlaments ein Fortschritt erzielt wurde.

Was halten Sie in Bezug auf den mehrjährigen Finanzrahmen und den Wiederaufbauplan von der erzielten Einigung? Reicht sie aus, um den Herausforderungen der Kulturakteure gerecht zu werden?



Wenn man bedenkt, dass die EU ein Kulturprojekt ist, das die Menschen zusammenbringen will, dann ist die Kultur in diesem Haushalt sehr wenig mitgedacht worden. Das Europäische Parlament - unterstützt durch den Kultursektor selbst - hat zu Recht eine Verdoppelung des Budgets für Creative Europe gefordert. Auch wenn alle Kulturminister darin übereinstimmen, dass das Kulturbudget aufgestockt werden sollte, dann scheint dies derzeit sicherlich keine Priorität für alle europäischen Staats-und Regierungschefs zu sein. Ich möchte hinzufügen, dass Creative Europe nicht das einzig relevante Programm ist. Es ist wichtig, Kultur in den verschiedenen Programmen und Bereichen mitzudenken - einschließlich der Wissenschaft, Innovation und Digitalisierung, sowie der Außenpolitik, der Kooperation und der Entwicklungszusammenarbeit, wo Kultur eine Rolle spielen kann. Natürlich ist Creative Europe DAS Programm für die Kultur, und wenn sein Budget kleiner wird, dann gibt es noch weniger Finanzierung für diesen innovativen und dynamischen Sektor der Kultur, der aufgrund der Einbindung der Zivilgesellschaft floriert. Gleichzeitig ist der Kultursektor aber auch sehr fragil, wie sich während der Covid-19-Krise gezeigt hat. Im Kultursektor sind die Organisationen und Initiativen meist sehr klein. Das Bewusstsein für die Bedeutung der Kultur zu schärfen, ist keine leichte Aufgabe, was der Fall für den Wiederaufbauplan war. Natürlich können die Mitgliedsstaaten Mittel aus diesem Fonds nutzen, um den Kultursektor zu unterstützen, aber dies ist nicht verpflichtend. Das bedeutet, dass die Akteure auf nationaler und lokaler Ebene sehr aktiv sein müssen, um einen Anteil an den Mitteln zu erhalten.

Was meinen Sie, wenn Sie sagen "die EU ist ein Kulturprojekt"?



Wir können die EU so erzählen, dass sie mit der wirtschaftlichen Einigung und der Entwicklung einer gemeinsamen Stahl- und Kohleindustrie begann. Aber dies würde dem europäischen Projekt nicht gerecht werden, was in erster Linie ein Friedensprojekt ist. Frieden bedeutet für mich, sich kennenzulernen, sich zu verstehen, sich auszutauschen und gemeinsam zu lernen. All das kann man sehr gut durch Kultur erreichen. Wir haben uns lange darauf konzentriert, Grenzen zu beseitigen, was sehr positiv ist. Es gibt eine gemeinsame Währung in 19 Mitgliedstaaten und EU-Bürger und -Bürgerinnen können überall in der EU arbeiten. Wir haben all diese Privilegien erlangt, und dennoch befürchte ich, dass wir vergessen haben, dass es in der EU um das Zusammenbringen von Menschen geht. Das könnte einer der Gründe dafür sein, warum das Budget für Kultur so klein ist. Sich durch Kultur aufeinander einzulassen und den künstlerischen Austausch zwischen den Ländern zu stärken, ist meiner Meinung nach eine Möglichkeit, das zu erreichen.

Sich kennenzulernen ist im Moment umso schwieriger aufgrund der derzeit geltenden Einschränkungen. Könnten Sie näher auf die Auswirkungen der Einschränkungen der Freizügigkeit auf den Kultursektor eingehen?



Der Kulturbereich ist schon lange global vernetzt. Derzeit ist der Austausch durch die Pandemie und die erlassenen Reisebeschränkungen zum Erliegen gekommen. Veranstaltungen werden abgesagt oder finden online statt. Vorschriften sind strenger für Konzerte, Theater, welche große Menschenansammlungen mit sich bringen. Ich denke aber, dass es dem Kultursektor nicht helfen würde, wenn wir einfach wieder reisen und uns frei bewegen könnten. Als Gesellschaft brauchen wir die Verbindung mit Menschen, um voneinander zu lernen und uns auszutauschen. Kultur hat einen besonders starken Live-Aspekt: Man lässt sich auf eine Geschichte, eine Erzählung, eine Performance ein.
Es ist durchaus möglich, interessante kulturelle Veranstaltungen anders zu organisieren. Im Moment gibt es auch immense Vorteile, Kultur online zu betreiben: Man kann mit Menschen aus verschiedenen Hintergründen interagieren, aus verschiedenen Ländern, die anders leben. Ich beobachte, dass es jetzt mehr Möglichkeiten gibt, sich an Veranstaltungen zu beteiligen, die zum Beispiel in Tokio oder Burkina Faso stattfinden. In all dem liegt also auch eine große Chance: Es wird möglich, an digitalen Veranstaltungen teilzunehmen, zu denen man sonst vielleicht keinen Zugang gehabt hätte.

Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass die Kulturausgaben der privaten Haushalte in Europa zurückgehen, einerseits weil die Menschen nicht hinausgehen können, oder andererseits, weil sie das Budget nicht zur Verfügung haben?



Das ist eine interessante Frage, aber der Konsum von Kultur hat in gewisser Weise zugenommen. Während der Lockdowns wurden viel mehr Filme und TV-Serien gestreamt und heruntergeladen. Gelder, die vorher vielleicht in Kinokarten investiert wurden, flossen in dieser Zeit in Kulturprodukte, die zu Hause konsumiert werden konnten. Gleiches gilt für den Buchmarkt. Wer leidet? Natürlich Theater, Konzerthäuser, Kinos, also alles, was einen Live-Aspekt hat. Wenn es keine Unterstützung von außen gibt, werden viele Kulturinitiativen verschwinden und viele Kunstschaffende werden sich anderen Einnahmequellen zuwenden müssen. Es wird sicherlich eine Weile dauern, bis sich neue Zugänge zur Kultur etabliert haben. Ich warte eigentlich darauf, dass wir nach der Krise Ansätze finden, um die Kulturindustrie fairer zu gestalten, mit weniger Ausbeutung und weniger Unterbepreisung. Die aktuelle Krise kann dazu genutzt werden. Aber die Normalität von Live-Events und vollen Konzertsälen wird sicher zurückkehren.

Ein weiterer großer Wendepunkt in der europäischen Integration ist der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union. Auf welche Weise beeinflusst der Brexit die europäische Kultur?



Der Kultursektor ist sehr davon betroffen, dass es den kulturellen Austausch mit dem Vereinigten Königreich in Zukunft nicht mehr oder weniger geben wird. Es hilft auch nicht, dass die britische Regierung ihren Austritt aus Creative Europe angekündigt hat und kein Interesse an einer weiteren engen Zusammenarbeit mit der EU in den Bereichen Kultur und Bildung bekundet hat. Es gibt Initiativen von Kulturorganisationen, sowohl hier auf dem Kontinent als auch in Großbritannien, um die kulturellen Beziehungen zu intensivieren. Die Europäische Kulturstiftung zum Beispiel ist in diesem Bereich besonders aktiv gewesen. Das Gleiche gilt für Kulturinstitute. Unsere Mitglieder in Großbritannien sind sich ihrer Verantwortung bewusst, dafür zu sorgen, dass die Zusammenarbeit auf der Ebene der Kulturakteure und der Zivilgesellschaft nicht abnimmt. In dieser Hinsicht können die Kulturinstitute eine Brücke für die Menschen in Großbritannien, aber auch für Kulturschaffende bilden, um weiterhin an diesem Austausch mit der europäischen Kulturszene teilzunehmen. 250 Kulturorganisationen und Kulturschaffende haben Anfang September einen Brief an den britischen Staatssekretär für Digitales, Kultur und Medien unterzeichnet, in dem sie ihn auffordern, sich für den Verbleib des Vereinigten Königreichs in Creative Europe einzusetzen. Kultur hat das Potenzial, Verständnis, Kontakt und Vertrauen aufzubauen. In dieser Hinsicht wird Kultur wahrscheinlich eine wichtige Rolle in den zukünftigen Beziehungen zwischen der Union und Großbritannien spielen.

Ist eine europäische Kulturpolitik in der jetzigen institutionellen Form der EU möglich?



Notwendig ist vor allem ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Kultur. Die Kultur fehlt oft in Debatten der Staats- und Regierungschefs. Erfreulicherweise haben wir vor kurzer Zeit die Einführung der europäischen Bauhaus-Initiative beobachten können. Um die Kultur in ein vielfältigeres Feld der EU-Politik einzubringen, müsste wohl zunächst ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie wichtig Kultur ist. Oft steht auch die nationale Ebene im Konflikt mit der europäischen Ebene. Der Reflex ist, dafür zu sorgen, dass die eigene Kultur, die eigene Sprache und so weiter geschützt und gefördert werden, aber Gleichzeitigkeit ist auf vielen Ebenen möglich. Ich kann mich in meiner Stadt verorten und mich als - in meinem Fall - Brüsselerin sehen, gleichzeitig Deutsche sein und mich als Europäerin verstehen. Für mich ist das überhaupt kein Widerspruch, sondern ein produktiver Austausch. Und ich glaube, dass das auf allen Ebenen gelten kann.
Ich verstehe jedoch die Logik, dass das Mandat für Kultur bei den Mitgliedstaaten liegt. Wer kann am besten entscheiden, welche Bibliothek, welches Theater oder welche Kunstgalerie gefördert werden soll? Das muss auf den Ebenen entschieden werden, die der Bevölkerung am nächsten sind. Es würde keinen Sinn machen, die Salzburger Festspiele oder die Pariser Oper von Brüssel aus zu steuern. Aber ich bin davon überzeugt, dass kulturelle Austauschprojekte, zum Beispiel die Mobilität und der Austausch von Künstlern, Initiativen wie die Europäischen Kulturhauptstädte oder European Spaces of Culture notwendig sind. Wenn man sich aber anschaut, welches Budget diese Initiativen erhalten, wird klar, dass es noch viel Verbesserungspotenzial gibt. Zum Beispiel haben die Kulturhauptstädte Europas kein Follow-Up- und Vernetzungsprogramm, was durchaus gefördert werden könnte. Die EU und die Mitgliedsstaaten können in den Bereichen Urheberrecht und künstliche Intelligenz mit Bezug auf Kultur eine produktive Beziehung eingehen. Oder gemeinsam einen Blick auf kulturelle Bildung, kulturelles Erbe usw. werfen.

Wenn wir über Kultur sprechen, gibt es dann einen europäischen Ansatz, der die Vielfalt der Mitgliedsstaaten widerspiegelt?



Kultur ist in sich selbst vielfältig. Eine nationale Kultur in diesem Sinne gibt es nicht. Das Ziel sollte sein, diese Vielfalt zu fördern. Das Einzigartige an Europa sind unsere Werte, wie die Freiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung, die Versammlungsfreiheit, die Freiheit der Wissenschaft usw. Ein Punkt, den wir als EUNIC auch in unserer Satzung haben, ist das Bekenntnis zu einem Kultursektor, der eine unabhängige Stimme und die bestmögliche finanzielle Ausstattung und strukturelle Rahmenbedingungen hat. Diese Elemente können einen europäischen Kulturansatz untermauern. Es ist ein einzigartiger Raum, den wir in Europa geschaffen haben, auch wenn es Tendenzen gibt, die diese Freiheiten einschränken wollen. Insgesamt steht Europa aber weltweit für eine große freiheitliche Ordnung. Dieser Aspekt macht den gemeinsamen Ansatz einer europäischen Kulturpolitik aus.

Dies könnte auch mit dem Konzept der europäischen Identität zusammenhängen, das insbesondere der französische Präsident Emmanuel Macron immer wieder hervorruft. Inwieweit sind diese beiden Konzepte miteinander verbunden: europäische Identität und europäische Kultur?



Mein Verständnis von europäischer Identität ist, dass sie aus verschiedenen Identitäten besteht, die sich überlappen. Für mich ist das, was unserem europäischen Raum immanent ist, diese Freiheit, aber auch eine Art von Solidarität, eben weil es einen bestimmten Wertekanon gibt, auf den man sich einigen kann, wie den Frieden. Das ist einer der Gründe, warum es die EU gibt.

Sie weisen häufig darauf hin, dass sich in der europäischen Kulturszene zunehmend ein Bottom-up-Ansatz etabliert. Könnten Sie diesen Ansatz näher erläutern und was er für die Union bedeutet?



Wenn wir vom Bottom-up-Ansatz sprechen, meinen wir damit die kulturelle Zusammenarbeit über Grenzen hinweg. Dies könnte man mit den Sustainable Development Goals der UN in Verbindung bringen und ganz allgemein mit Diskursen, die über Entwicklungsarbeit und das Verhältnis "globaler Norden - globaler Süden" existieren. Es hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit unseren Partnern am besten auf Augenhöhe in einer dialogischen Beziehung funktioniert. Auf diese Weise versuchen wir, friedliche Beziehungen, die auf Vertrauen basieren, aufzubauen. Bei diesem Bottom-up-Ansatz ist es wichtig, dass dort, wo Aktivitäten stattfinden, entschieden wird, wie sie am besten durchgeführt werden können. Entscheidungen über kulturelle Aktivitäten sollten daher gemeinsam mit lokalen Partnern getroffen werden. Dies ist in der EU-Strategie für internationale Kulturbeziehungen verankert. Meiner Meinung nach gilt der Grundsatz, dass die Vergabe von Geldern nicht in einer Hauptstadt weit weg entschieden wird. Ein großer Teil der Entscheidungsgewalt kann auf immer kleinere Ebenen verlagert werden. In der Kulturpolitik ist es immer sinnvoll, die Programme so aufzustellen, dass die Menschen, die direkt mit den jeweiligen Themen konfrontiert sind und die direkt in der Praxis tätig sind, darüber entscheiden.

Sie haben oft die Bedeutung der Kultur in internationalen Beziehungen erwähnt. Welche Rolle spielt die europäische Kultur in der europäischen Außenpolitik und Soft Power?



Das ist ein großes Thema. In diesem Zusammenhang sprechen wir über kulturelle Beziehungen, weniger über Kulturdiplomatie oder Soft Power. Die EU-Strategie von 2016 ist für mich insofern eine sehr fortschrittliche Strategie, als sie auf Werten basiert und nicht auf bestimmten Handlungsfeldern. Bei dieser Strategie geht es auch um globale Solidarität, die im Zentrum unserer kulturellen Aktivitäten steht. Das Bild von Europa in der Welt kann davon profitieren, wenn wir uns diese Werte zu eigen machen und voneinander lernen und uns einander zuhören. Das mag in Gegensatz zu bestimmten Ansätzen in anderen Politikbereichen stehen. Es war Federica Mogherini, ehemalige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, die diesen kulturellen Ansatz in die EU-Außenpolitik gebracht haben. Wir versuchen sicherzustellen, dass sich die positiven Effekte eines solchen Ansatzes auf die Konfliktprävention und die sozioökonomische Entwicklung in unseren Partnerländern auswirken. Wir versuchen, die Aufmerksamkeit auf diesen Ansatz zu lenken, damit sich die EU stärker in dieser Richtung engagiert, da er Menschen zusammenbringen kann. Es gibt Länder, die dies bereits aktiver tun. Frankreich und Deutschland haben sehr unterschiedliche Ansätze in kulturellen Beziehungen. In dieser Hinsicht hat die EU noch einen weiten Weg vor sich. Sie nutzt diese kulturellen Instrumente nicht wirklich in vollem Umfang und ist sich ihrer wirklichen Macht möglicherweise nicht ausreichend bewusst.

Abgesehen von all den Schwierigkeiten, die diese Krise im Kulturbereich mit sich bringt, was kann daraus Gutes für die europäische Zusammenarbeit erwachsen? Gibt es positive und neue Effekte?



Dieser Moment kann jetzt genutzt werden, um neue Formate auszuprobieren, um zu verstehen, wie der digitale Raum gestaltet werden kann, und um zu sehen, inwiefern er für den kulturellen Sektor nützlich ist. Die Frage der Urheberrechte ist hierbei sehr wichtig. Gleichzeitig ist dieses Element, ein globales Publikum zu erreichen, auch ein interessanter Aspekt. Alle Kulturschaffenden müssen sich jetzt die Frage stellen, was es bedeutet, in "Konkurrenz" zu allen Theatern, Opern oder Panels der Welt zu stehen. Wollen wir das oder nicht? Setzt man dann stärker auf den sozialen Aspekt? Was bedeutet das?
Des Weiteren sollte uns diese außergewöhnliche Krise, dazu bringen, grundsätzlich darüber nachzudenken, wie wir Kultur gestalten wollen. Kulturarbeit wirft einen kritischen Blick auf die Welt, was absolut wünschenswert ist, und manchmal auf ihre eigenen Strukturen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die faire Zusammenarbeit: Viele Museen zahlen keine Honorare an die Kunstschaffenden, die sie ausstellen, und argumentieren, dass der Mehrwert in der erhöhten Sichtbarkeit liegt. Das ist problematisch, denn von der Sichtbarkeit allein kann niemand leben. Die aktuelle Krise könnte eine Chance sein, über solche Fragen nachzudenken. Sie ist auch eine Chance, die Verbindung zu anderen Themen herzustellen, wie Nachhaltigkeit und unser Einfluss auf die Umwelt. Wie kann man Mobilität und Kultur organisieren, ohne so viel zu reisen? Viele Ressourcen werden dabei verschwendet. Wie kann Kunst gemacht werden, ausgestellt und an ein Publikum gebracht werden mit einem kleineren ökologischen Fußabdruck? Das sind Fragen, die wir uns jetzt stellen können.

Dieses Interview wurde von Stefanie Buzmaniuk am 11. September 2020 geführt. Es wurde aktualisiert, um der am 10. Dezember erzielten Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen Rechnung zu tragen.
[1] EUNIC ist das Netzwerk der nationalen Kulturinstitute der EU-Mitgliedsstaaten und assoziierten Länder. EUNIC wurde 2006 gegründet, zählt 36 Mitglieder, die 28 Länder repräsentieren, und ist in mehr als 150 Ländern mit mehr als 2000 Institutionen und Tausenden von lokalen Partnern aktiv.
Publishing Director: Pascale JOANNIN
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The author
Gitte Zschoch
Director of the European Union National Institutes for Culture (EUNIC)
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